Museale Pracht: Stonetown ist erstaunlich reich an Museen.
Man weiß es, den Touristen seine Vergangenheit zu zeigen,
und auch den Schülerinnen und Schülern.
Mein Lager neben der nächtlichen Ameisenautobahn.
Begegnungen real und auf Leinwand
Ansonsten begegnen wir in den beiden Museen am Waterfront den Üblichen Kolonialisten wie Kaiser Franz Josef und auch seine Sissi, die sich anscheinend auch in Zanzibar den Geldbeutel füllen ließen (Das ist alles unverdientes Geld, mit dem sich die Bokassas den Kühlschrank vollstopfen und die Bundeshausabgeordneten dafür bezahlt werden, falsche Entscheidungen zu treffen). Dazu sieht man noch Burkas und Stühle (viele Stühle), alte Photographien aus der "guten alten Zeit" oder auch der schlechten alten Zeit, ein ganzes Dow (Fischer-Segelschiff), ein Auto, Waffen und Kräuter etc. etc. und Kangas. Kangas sind die afrikanischen Tücher, mit denen sich die Damen afrikanisch-tradionell bekleiden (die häßlichen schwarz-weiß-Sachen sind der Import eines billigen Islams). Dennoch, ob afrikanisch oder arabischen Ursprungs, die Frauen sind angehalten, das Haar bedeckt zu halten (wie auch bei den Rastas üblich), auch dazu dienen Kangas. Es sind längliche, sariähnliche Stoffe, die meist zu ihren aus Stadt und Land und Werbung inspirierten bunten Entwürfen auch noch den Aufdruck "Holland Wax Print" tragen, wobei ich lange nicht wußte, woher dieser Begriff stammt (inzwischen weiß ich es schon wieder nicht mehr). Dazu bieten die Kangas noch dazu die Gelegenheit, seine Guten Vorsätze direkt am Leib zu tragen. Auch diesem Kapitel ist ein Teil der dortigen Ausstellungen gewidmet.
Und die Türen! Man muß nicht erst das House of Wonders oder das Sultanmuseum besuchen, um die Türen zu bewundern. Nebenbei bemerkt: die Hauptattraktion im House of Wonders ist der erste Lift auf Zanibar, der inzwischen der Stromausfälle unabhängig ist, da er sowieso nicht mehr lauft. Die erwähnten Türen verteilen sich quer durch die Altstadt und zeugen noch von der Zeit, als die kunsthandwerklich hervorragendsten Türen den wohlhabendsten Bürgern als Erkennungsmerkmal ihres gehobenen sozialen Status dienten. Tatsächlich ging in Zanzibar eine Menge Geld durch arabische und europäische Hände. Die Afrikaner aber saßen in der Halle links vom Einganz zu Tipp-Tipps Haus, wenn sie überhaupt Platz zum Sitzen hatten und wurden kurze Zeit danach durch den unterirdischen Gang zum Marktplatz geführt, wo sie verkauft und verschifft wurden. Und wenn ihnen unterwegs in die Karibik oder Nordamerika furchtbar schlecht wurde, gab es kurze Zeit danach etwas mehr Platz für den Rest der Ware. Statistisch erfaßt, waren das (?). Aber was ist schon Statistik?
Aber das war einmal. Heute braucht es keine Araber mehr und keine Sklavenhändler aus dem Westen, denn fünfzehn Minuten vom Botanic entfernt hatte es einen Steinbruch. Annie hatte mir diesen empfohlen, denn ich wollte nicht in einem Museum filmen. In einem Steinbruch hat es keine anderen Touristen, die im Weg stehen. Im Großen und Ganzen geschieht dort nichts Anderes, als daß große Steine aus dem Felsen geklopft werden und dann irgendjemand solange auf diese einschlagen muß, bis sie klein genug sind, daß man aus ihnen einen Weg machen kann, der dann gnaz nett aussieht, und auf dem kann man vom Guesthouse zum Restaurant wandeln oder vom Restaurant zum Guesthouse wieder zurücktorkeln, wenn man dann genug Bier intus hat. Und tatsächlich fand sich ein Vorarbeiter, der sich bestechen ließ und damit mit einem OK zum Filmen herusrückte. In kleinen, strohüberdachten Häuschen saßen diejenigen, die mit der Zerkleinerung per Hand beschäftigt waren: dazu wurde ein großer Stein auf einem noch größeren Stein gelegt, einmal draufgeschlagen, damit er sich verkleinert und das war's dann auch, damit wiederholte sich der Vorgang ins Unendliche.
Der Kinder unsterbliche Werke




Kinder zeichnen in einer Nebenstrasse.
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Harte Steinbrucharbeit für Frauen,
bis zur völligen Erschöpfung.
In einer nahegelegenen Mulde stand eine Maschine, die die vorverkleinerten Steine zu Schotter verarbeitete. Der Eselskarren brachte die Steine dorthin, diese fanden sich so zu einem hohen Haufen zusammen: die Männer füllten eine Schubkarre ab diesem Haufen und schütteten diese vor der Maschine aus, wo sie in die Maschine geschaufelt wurden. Die Frauen die dort arbeiteten, füllten einen halbierten Benzinkanister mit kleinen Steinen und brachten diesen auf dem Kopf tragend zur Maschine.
Die Männer machten ca. 30 Dollar im Monat. Die Frauen, die dort arbeiteten, bekamen nichts. Slave driver, catch your fire.
Nun stand ich also dort und filmte mit meiner Betacam SP. Diese Kamera hatte ich als Vorführmodell ergattert für ca. 14 Tausend Franken. Und filmte eine junge Frau, die dort arbeitete, tagein, tagaus Steine in einem halbierten Benzinkanister füllte und diese zu einer donnernden und scheppernden Zerkleinerungsmaschine brachte, die heute doppelt schnell gefüttert wurde, weil da jemand filmte. Und nichts verdiente.
Und als sie direkt ins Kameraauge sieht, fühle ich diese vermutlich typische Hilflosigkeit eines Dokumentarfilmers, der weiß, daß das, was er hier filmt, nur die Spitze des Eisbergs einer Wucherung ist, die wir Zivilisation nennen. Denn: wir aus dem Westen haben keinerlei wirkliche Bildung in die weite Welt getragen. Bildung bedeutet Ehrfurcht zu haben vor jedem, den wir begegnen. Wir haben bestenfalls die Rohstoffe aus der Ferne nach Hause gebracht und die billige Arbeitskraft dazu, haben uns mit dem Gewinn die Wampe fett gefressen und nie ein Bildungssystem erwachsen lassen, das die moderne Sklaverei verunmöglichen würde. Und noch dazu ist aus unserer eigenen Gesellschaft ein schlechter Witz geworden, alles Lüge, alles geklaut. Die Schwarzen haben von uns (und von den Arabern) bestenfalls das übernommen, was sie eigentlich nicht lernen hätten sollen. Und sind zum gleichen Sklavenhändler geworden.
Es ist natürlich eine Zumutung, eine Videokamera, einen Photoapparat und einen Zeichenblock nach Afrika mitzunehmen, wenn man alternativ die Zeit am Strand totlungern könnte. Ich zähle zu diesen Unverbesserlichen, die vom Durchschnittsmenschen als Masochisten und vom Durchschnittstouristen gar nicht erst wahrgenommen werden, daß diese eine Gewürztour machen, den zehnfachen Preis für alte vergammelte Gewürzpackungen zahlen, die in einem schnell zurechtgeschnitzelem Fischerboot hineingequetscht werden und genauso blöd, wie sie hier angekommen sind, mit einem Bauch voller Fische und Bier wieder nach Hause fahren und nie die Seitenstraßen besuchen, wo ich mich hinsetzte, nachdem ich mir für einen Geldbetrag, der sich kaum noch in eine verständliche westliche Währungsmenge übersetzten läßt (eine Hose kostet ca. 3,5 Schweizer Franken) einen hölzernen Hocker gekauft hatte, um dort mit Tusche und Feder das verfallende UNESCO-Kulturerbe zu zeichnen. So erschaffte ich mir den Ruf des weißen Muzungu mit den Dreadlocks und dem Turban, der immer mit Kamerastativ und Zeichenblock unterwegs war. Wohlweislich, daß ich eventuell Kindern begegenen würde, die mir über die Schulter schauen und sich um den besten Stehplatz balgen würden. Also hatte ich einen Zeichenblock und Farbstifte mit, um sie zur Selbstbeschäftigung zu animieren. Bald hatte ich eine kleine Gruppe von Kiddies um mich, die ihre Welt per Buntstift malten. Da fand sich bald ein Maazu (Kokospalme), die bekannten zanzibarischen Türen und das Interieur von einem ganzen Haus mit Fernseher und Ventilator. Und hier schien ich etwas relativ ungewöhnliches gemacht zu haben. Denn so wie sich kein Tourist in diese Seitenstraßen verirrt, so bekamen die Kiddies auch keine Zeichenblätter und Stifte, um ihre Welt zu zeichnen. Vielleicht würden sie sich, der Seltenheit des Erlebten wegen, sogar ihr Leben lang daran erinnern. Man darf nicht vergessen: die Leute dort haben sehr wenig. Und wenn Regenzeit ist, dann ist alles so feucht, daß sich die Fußballen röten und entzünden. Babypuder schafft da abhilfe. Wenn man sich Babypuder leisten könnte.
Einige Straßenzüge weiter erwies sich das Prinzip als Nutzlos, denn dort manifestierte sich das soziale Gefälle. Ich schien in ein Viertel gekommen zu sein, in dem die Schulbildung der Kleinen entweder auf primitivsten Niveu gehandhabt oder gar nicht existierte. Denn die Farbstifte wurden eintweder zum Gegenstand von Machtkämpfen oder aber verwundert als etwas betrachtet, dessen Verwendungszweck im Nebel des Unklaren versank. Der dritte Versuch scheiterte ebenso wie der zweite, diesmal weil ich mich in der Nähe einer Schule plaziert hatte und deshalb ich selbst und auch meine Ausrüstung dem damit verbundenen Bildersturm nicht gewachsen waren.
Eine Fahrt mit dem Universitätsbus.
Es fuhr kein Bus mehr nach Tunguu,
also wurde mir eine Mitfahrt im
Universitätsbus organisiert, der in
die gleiche Richtung fuhr.
Vor einiger Zeit war Annie auf die Idee gekommen, einen Haufen Kiddies von der Straße in die Musikakademie mitznehmen. Da sie die Rektorin dort kannte, war das soweit in Ordnung und die Kleinen konnten – vielleicht sogar das einzige Mal im Leben – auf Musikinstrumenten "spielen". Natürlich reicht ein Nachmittag nicht, irgendwas "Vernünftiges" aus den Instrumenten zu bekommen, aber immerhin konnten sie auf Celli kratzen oder einer Klaviertastatur 24-Ton-Musik entlocken und kreierten vermutlich psychedelischen Lärm (anscheinend war es ein himmlischer Lärm gewesen). Ein Jahr später kamen sie immer noch angerannt und bedankten sich bei ihr für den wundersamen Nachmittag.
Die Luft ist voller Geräusche. Vögel zwitschern, Affen kreischen. Dalla-Dallas fahren vorbei und Radios laufen. So zwischendurch. Die meiste Zeit ist es still oder es regnet. Egal was. Diese Geräusche müssen Aufgenommen werden. Darum hatte ich zwei Mikrophone paratgelegt, mein Interface und den Mac, sodaß, wenn ich nachts aufwachte, die Affen in den Bäumen und den Gesang der Vögel festhalten konnte. So wurde ich eines Nachts wach und wollte dieser Tätigkeit nachgehen. Ich tappte mich im Dunkeln Richtung Mac. Und plötzlich fingen meine Füße zu jucken, zu beißen und zu stechen an. Licht machen. Hoppel die poppel. Ah, Licht. Eine dunkle Straße führte durch mein Zimmer, eine Ameisenautobahn, etwa einen halben Meter breit und ich war mitten hineingestiegen. Ich tat, was ich immer tat in solchen Situationen, ich ging schlafen und überließ die Situation, sich selbst aufzulösen. Ich ging davon aus, daß es in diesem Fall keine Möglichkeit gab, eine Umleitung aufzustellen. Am morgen hatte sich der Verkehr schon gelichtet und einen Tag später waren nur mehr ein paar Nachzügler zu sehen.
Dhow Jones Academy


Kudumbaprobe.
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Die Dhow Countries Music Academy.
Seit 2002 gibt es in Stone Town die Dhow Countries Music Academy. Diese befindet sich im obersten Stock eines Gebäudes an der Waterfront, direkt über der Schule für Restauratoren. Es hatten sich schon einige Leute darüber gewundert, daß in dem Gebäude anscheinend eine ewige Baustelle herrschte, dabei waren die Studierenden dort einfach damit beschäftigt, alles kaputtzumachen, damit sie lernen konnten, alles wieder herzurichten.
Da man feststellte, daß die jungen Zanzibaris verlernten, ihre eigene tradionelle Musik zu spielen, wurde diese Institution ins Leben gerufen. Aber nicht nur zanzibarische Musik wird dort unterrichtet, auch klassische Musik und musikalische Formen wie Reggae.
Siehe auch Videos: «Taarab Probe» und «Kidumba Probe» im Main Index oben.
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