Wavingtree Gardens - The Edward Mickonis Society


 





Der romantische Geschmack ist selten, noch seltener das romantische Talent, daher gibt es wohl so wenige, die jene Lyra, deren Ton das wundervolle Reich des Romantischen aufschließt, anzuschlagen vermögen.

E.T.A. Hoffmann


 
 
 






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EMS — Main Index

EMS Works in Progress

Die vielen Projekte.

EMS 006 Musik aus Indien

Das erste indische Konzert in Baden bei Wien.

Society Notes

EMS Startpagescriptures als Sammlung.


Das Frontpanel
 
«Outside of society. That's where I want to be.»
Patti Smith
 
Ein anthroposophischer Heilpädagoge hatte einmal zu mir gesagt: «Niemand steht außerhalb der Gesellschaft. Und wenn man nur der Buhmann der Gesellschaft ist, ist man dennoch drin.» Also: Wo bin ich? Bin ich drin oder nicht? Auch als Punk bin ich drin. Als Anarchist bin ich drin. Das Geschrei war unnütz. Naja, gut gemeinter Versuch. Oder je nachdem, was man unter der Gesellschaft versteht. Als ich noch frisch und jung war, vor einem halben Jahrhundert, da war viel die Rede vom «Establishment». Das war ein guter Begriff. Da konnte man sich besser distanzieren. Vor dem «Etabliertem».
 
Dann gründete ich meine eigene Gesellschaftsform. Die hatte keine fest umrissenen Grenzen. Da ist man drin oder auch nicht, in dem Ausmaß wie man klug ist. Das Klug-Sein ist hier das Maß aller Dinge, wie der Cicero in der Typographie. Wer sich dämlich aufführt, oszilliert sich zurück ins Establishment. Peinlich ist es auch noch dazu.
 
Die EMS ist ein künstlerisches Paradies. Alles ist möglich. Natürlich muß es klug sein, sonst ist die Disqualifikation vorprogrammiert. Klug im Geiste, klug in der Ausführung. Ob man sich das Talent für die handwerkliche Ausführung angeeignet hat, steht auf einem anderen Blatt. Aller Anfang ist schwer und die hier angesagten und erwünschten Grenzüberschreitungen sind wichtiger als die perfekt gelungene Ausführung. Und doch: Aller handwerklichen Unzulänglichkeiten zum Trotz, obwohl man sich bemüht hat, das beste aller Resultate zu erzielen (was Voraussetzung ist), sieht man an seinem Werk in aller Deutlichkeit, was noch zu erreichen, was noch zu korrigieren und zu perfektionieren ist. Perfekt ist es, wenn es nicht mehr besser geht, nur mehr anders. Farbflecken sitzen dort, wo sie Bewußtsein und Spannung erzeugen. Töne sind am rechten Ort, wenn sie Bewußtsein und Spannung erzeugen. Die Umsetzung ist immer «The Best Of». Das ist der Schulungsweg und der Anspruch der EMS.
 
Die meisten Projekte sind noch unvollständig, nach so vielen Jahren. Eine zentrale Ader der EMS ist das Musikalische. Die Musik war schon immer da, seit ich mich erinnern kann, Musik aus dem Schwarzweißfernseher, aus dem Radio. Es kam ein Tonband hinzu, Mehrspur-Kassettenrecorder, ein Revox, digitales Aufnehmen, Audio over IP, DSD. Die Möglichkeiten sind erwachsen, so auch die Ansprüche an die Qualität.
 
Die Gesellschaftsmitglieder kommen und gehen und hinterlassen ihre Spuren. Oder sie nehmen diese Spuren mit, in der Form von Audio- und Videodateien. Every picture tells a story. Oft frage ich mich, was diese Künstler, die an der EMS teilnehmen, wahrnehmen an ihrer eigenen Story. Dazu habe ich selbst zu viele Fragen. Ein Teil von dem, was wir hier tun, ist immer in unseren Nebeln gehüllt.
 
Manche dieser Teilnehmer sind noch da, andere sind im Nebel verschwunden, sind aber eventuell über die Kanäle und Kanälchen des Lebens auffindbar. Ja, und manche sind nicht mehr unter uns. Manche wurden mit Schimpf und Schande davongejagt. Und manche haben sich dazu entschlossen, sich selbst aufzulösen. In allen Arbeiten, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, sehe ich ihre Spuren, oder höre ihre Spuren: die Spuren der Blondels und der Giftmischer. Das dazwischen sind wohl die Nebelschwaden, von denen hat es zu viele.
 
Meinen Stücken einen Zusammenhalt zu geben: Dazu dient mir die EMS Projektliste, diese ist die online verfügbare Bibliothek meiner sonaren Arbeiten. Jedes Stück hat eine eigene Seite, auf der hat es die neueste Version meiner Arbeit, Gedanken dazu, Technisches, Arbeitsprotokolle, Illustrationen und Photographien.
 
Ich gebe mir die größte Mühe, alle Tätigkeiten zusammenzufassen. Sie zu protokollieren und zu archivieren. Die Projekte sind Chroniken, Tagebücher, Aphorismen, Gemälde, Zeichnungen, Photographien. Technisch hochkomplexe Vorhaben, die zum Teil im Alleingang gelöst werden oder in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern und Technikern.
 
In erster Linie bin ich auf dem Gebiet der Notation nicht zuhause, bin es nie gewesen und werde es nie sein, nicht in diesem Leben. Dazu hat es Andere, die die Arbeiten mit solchen Fähigkeiten bereichern. Diese tauchen immer wieder im Studio auf und vervollständigen die tonalen Malereien mit ihrem Talent, ihren Inspirationen und Gedanken und den Fertigkeiten, über die ich nicht verfüge. Ich bin diesen Leuten sehr dankbar, ansonsten würden meine Arbeiten vor Eigenbrötlerei und Inzucht ein Dasein ganz knapp am Boden fristen.
 
 
 


Amplifier Company Of America Tube Limiter.
 


PrismSound Lyra II.
 
Viele Jahre dazwischen: Zwischen dem Tube Limiter und dem Lyra II Audio-Interface liegen Jahrzehnte an technologischer Entwicklung. Natürlich haben sie zwei völlig unterschiedliche Aufgaben. Aber beide haben ihren festen Platz im Technologie-Park. Ihre Funktion definiert ihr Einsatzgebiet und ihr Alter, das definiert ihre Klangfarbe.


 
 
Fein Ungereimtes
 
I m Takt zu bleiben ist eine nützliche Fähigkeit. Es hat ja immer noch zwischen den Taktstrichen die kleinen Orte, an denen der Takt bewußt oder unbewußt unterbrochen wird. Es soll hier gar nicht die Rede sein vom Können oder Unvermögen, nur davon, daß das stattfindet. Naiv wir wir waren, hatten wir zur Hippiezeit einfach daraufzugetrommelt. Gewisse Teilnehmer an diesen Sessions waren nicht unbedingt gerne gesehen, weil leicht oder schwer antirhytmisch, wurden aber toleriert. Manchmal einfach an den Rand getrommelt. Die Session hörte dort auf, wo der Takt auseinanderfiel. Das war ein eigenartiges Erlebnis, das man manchmal auch nur zu zweit hatte. Obzwar da einige recht komplexe Strukturen entstanden, kam es irgendwann zu diesem Auseinanderfallen. Aus einem Etwas wurde ein Nichts. Erlebnis nummer eins.
 
Das Rad drehte sich ein Jahrzehnt weiter. Plötzlich hatte ich 1986 ein Korg DDM-110 in der Hand. Der Anfang vom Ende. Da passierte etwas ganz unerwartetes. Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet, mich mit maschinell generierten Rhythmen auseinanderzusetzen. Die Begleitautomatik aus der Elektroorgel gab es plötzlich als eigenständige Kiste. Metronom? Was ist das? Ich habe bis heute keines. Nun: Das gemeinsame Trommeln war ausgestorben. Synthesizer standen auf dem Tisch, und ein Sequencer. Es gab noch keinen Computer (für mich), digitale Klangbearbeitung oder gar eine digitale Aufnahme war unerreichbar (weil so teuer) oder gar nicht erhältlich. Die Maschinen wurden per Sync zusammengekoppelt, die meisten Menschen hatten von MIDI noch nie etwas gehört. Wie ist das, wenn ich heute jemand von DSD erzähle? Als mein erster MIDI-Sequencer die Polyphonie halbierte und Notenhänger generierte, wurde mir vom Supporter im Laden ein neuer Chip gebrannt. Damals gab es noch direkten Kundendienst vom Chef persönlich. Gut gemeint, dabei hatte ich aber nur MIDI In und MIDI Out in einer Schlaufe, verursacht durch einen von mir falsch gesetzten Dipswitch. Jeder stolperte vor sich hin.


Aus der ursprünglichen Trommlerei und den komplexen Rhythmen aus Afrika, Brasilien, Lateinamerika und dem Jazz entwickelten sich über die fortschreitende Technik die künstlichen Rhythmen auf Basis der synthetischen und digitalen Klangerzeugung. Hat's wirklich Sinn gehabt? Wahrscheinlich gibt es keinen Trampelpfad, den man nicht erkunden sollte. Man muß sich aber immer den Rückweg merken.


In den Eighties waren die Drum-Machines nicht wegzudenken. Alle hatten eine. Es gab ja genug Leute, die auch mit den Elektrodrums umgehen konnten. Kraftwerk. Prince. Stefan Eicher, dessen Band damals mit großen Disketten gefüttert wurde.
 
Was passierte da mit meinen persönlichen Rhythmen? Ich war es gewohnt, die Perkussion per Hand zu spielen, plötzlich gab es diese Mittrommer nicht mehr, die den feinen Veränderungen in Rhythmus und Takt nicht mehr folgten, diese waren nun durch den unerbittlichen Takt aus der Maschine ersetzt. Meine Feinheiten in den rhythmischen Schwankungen wurden zermalmt. Zunächst entstanden Verunsicherungen, bis schließlich die Rhythmik ausfiel. Die Trommelmaschine hatte mich erstickt. Erlebnis nummer zwei.
 
Das naive Trommeln aus den frühen Siebzigerjahren konnte ja keine Fortsetzung finden, das hätte nur im Kreis herum geführt. Was es auch tat. Wenn ich die vor sich hin klopfenden zugerauchten Nachhippies am Rheinufer beobachtete, dann nur aus der Ferne, und ganz kurz, denn es war ein schmerzhafter Anblick, oje in mir. Lassen wir's. Die sollen aussterben, die Technowelle wird dafür sorgen. Pause.
 
Die Sequencer kamen in die hinterste Schublade oder wurden verkauft, so auch die Yamaha und Roland Drum-Machines und der Drummulator auch. Die Perkussionsklänge in den Synthesizern hatten keinen Reiz. Die Congas blieben.
 
Ich kaufte mir eine Cuica am Feira Hippie in Rio, dazu Agogo Glocken. Und ein dreier Set Congas in Varanasi (!). Nein, Famara, die darfst Du sicher nicht für Dein nächstes Konzert ausleihen, damit du auf sie herumschlägst und Fleischwolfmusik machst auf meinen Trommeln aus dem Kashibereich. Congas aus Varanasi sind nichts für Dich, die haben eine Seele, auf der Du nicht herumdreschen darfst.
 


Jedes Instrument ist eine lebende Seele, die uns zu einer Tätigkeit begleitet, die wir leichtfertig mit dem Begriff «Musizieren» umschreiben. Die Tragweite unseres Tuns erfassen wir bei weitem nicht.


Und da haben wir's. Diese Instrumente weisen eine Seele vor, einen Geist, der sich nicht in das Korsett einer Drum-Machine einzwängen läßt. Und diese Seele wird durch das organische Spielen des Trommlers (Musikers) erweckt und genährt. Da entstehen während des Spielens die Fragen nach dem «Wie-Weiter?», die plötzlich auftauchen und den Takt kurz unterbrechen, weil sich der Trommler den nächsten Pfad ausdenken will/muß. Den Fluß dabei aufrecht zu halten, ist nun die Kunst des Trommers. Das hat nichts mit dem Humanising aus der Linn Drum zu tun. Das ist ähnlich wie das Trommeln damals, als plötzlich die Hände von allein zu spielen schienen. Was für ein Trugschluß, sich dem naiv und unkontrolliert hinzugeben. Da ist das Auseinanderfallen des Spielens vorprogrammiert.
 
Das Spielen hatte ein neues Level erreicht, das konnte nur mehr durch kontinuierliche Beobachung erhalten werden. Der Spieler wurde zum aufmerksamen Beobachter seines Spiels. Anscheinend waren die Reise in die Irrungen und das Gefesselt-Sein notwendig. Dafür ergaben sich wie von Verunreinigungen befreite neue und frische Spielweisen. Und doch hatten sie keinerlei wirklichen Zwang, es gab weiterhin keine Notenblätter. Eine heikle Situation. Erlebnis nummer drei.
 
     Edward, 29. März 2023
 
 

Edward Mickonis Society Live im Jakobikeller, Gaaden. Spiel ohne Proben oder Vorbereitungen. Gegenseitiges Lauschen.

Jakobikeller