Turkish Dido 



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Purcell auf Türkisch – Allgemein
Purcell auf Türkisch – Protokoll des letzten «Gesprächs»

Zivilgericht und Abschluß

Purcell auf Türkisch


Vom Besuch am Zivilgericht und abschließende letzte Gedanken.
 
 
 

Wie versenkt man sein eigenes Projekt?

 
Nun, die Betreibung wurde zweimal nicht abgeholt, zur dritten Vorweisung wurde Rechtsvorschlag erhoben. Begründung: Keine. Anscheinend war es die Sache nicht wert, Stellung zu nehmen. Der nächste Schritt war demnach der Gang zum Zivilgericht, um ein Schlichtungsgespräch zu beantragen. Das geschah am 23. Dezember 2021 und nach einiger Zeit dachte ich: "Es passiert nix. Habe ich etwas übersehen?" Es zog sich in die Länge – Herr Richardson hatte wieder nicht reagiert. Kurze Zeit danach wurde ein Termin am Zivilgericht mitgeteilt. Auch dieser wurde verschoben – auf den 5. Mai 2022. Und Herr Richardson sei dann anwaltlich vertreten. Oh. Es kam also noch eine Frau Tiziana Conti, Rechtsanwältin, hinzu. Herr Richardson ließ sich rechsanwältlich vertreten.
 
 
Zivilgericht Basel-Stadt, Saal 2, Donnerstag 05. Mai 2022, 14:00
Und vorher und nachher.

 
 
Einstimmen im Cartoonmuseum.
 
 
Der 5. Mai war ein regnerischer Tag. Wie üblich war ich viel zu früh am Ort des Geschehens. Nützlicherweise gab es gegenüber das Cartoon-Museum, wo ich mir etwas Zeit vertrieb. Nein, ich hatte nicht das Gebäude verwechselt. Aber davon später mehr. Naja, es war eigentlich nicht zum Lachen.
 
Ich nahm Platz im Wartesaal, in meiner üblichen Gerichtskluft im überlangen, schwarzen Nadelstreifen-Gothicmantel. Diesmal trug ich nicht die Ninja-Tabis, dazu regnete es zu sehr. Kurze Zeit später tauchte George auf mit seiner Anwältin und nickte kurz, was ich auch tat. Anwältin mit Tasche und Aktenmappe, grauer Aura und Kontrollblick auf die Schuhspitzen. Ich fragte mich: "Ist diese Frau eine Bedrohung oder nicht?" Ihre Aura schien Belanglosigkeit zu verbreiten. Was aber kein Grund ist, nicht weiterhin vorsichtig zu sein.
 
Jedenfalls hatte ich einen dicken Koffer mit, darin waren alle Unterlagen fein säuberlich geordnet, ein Computer mit dem Demovideo und dem Crowdfundingvideo und noch dazu ein guter Teufel-Lautsprecher (kein Witz, es ist ein Lautsprecher der Firma Teufel), falls wir die Videos sehen wollten (was nicht der Fall war).
 
14 Uhr: Wir wurden in den Saal gerufen und bekamen je einen Tisch für uns. Gegenüber saß der Schlichter, Herr Dr. R. Küffer. Der einen sehr dynamischen und auch freundlichen Eindruck erweckte.
 
 
 
 
 
Gespräche im Saal 2: Are you serious? Jetzt muß ich das sagen.
 
 
Es entwickelte sich das übliche Gespräch, um die Sachlage zu eruieren. Es war schlußendlich eine äußerst komplexe Angelegenheit. Dr. Küffer mußte sich auf einem Gebiet orientieren, das ihm komplett fremd war. Es ging um ein Projekt, das mannigfaltige Facetten vorwies: Besprechungen und Vorbesprechungen, Projektvorgaben, technische Vorgaben, verschiedene Ansichten zur Vorgangsweise, Finanzierung, Weiterführung des Projekts. In seiner Funktion als Schlichter beschloß er, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, in erster Linie auf die Abmachungen (nein, es hatte nichts Schriftliches), was wurde in welcher Besprechung abgemacht und was kam dabei heraus. Dabei wurde ich etliche Male in meinen Ausführungen unterbrochen. Meine weiterführenden Erklärungen waren hier praktisch uninteressant. Verständlicherweise. Eventuell wären wir dort stundenlang gesessen.
 
Dr. Küffer war gezwungen, praktisch mit der Rasierklinge den Sachverhalt von allem, was die Parteien subjektiv für wichtig hielten, sauber vom objektiv Faßbaren zu trennen. Ich muß gestehen, keine einfache Aufgabe, durch die er sich im Schweiße seines Angesichts durchschippern mußte.
 
Die Frau Anwältin hatte nicht all zu viel im Köcher, lediglich Behauptungen, die sie von George erhalten und unverdaut wiedergab, so zB. daß anscheinend der Tonmeister (der die Audioaufnahmen machte, Jonas Prina) sowieso alles allein gemacht habe. Damit war einmal mehr meine Arbeitsleistung vom Tisch gefegt, denn wir hatten die Mikrophonierung zusammen besprochen, auch versah ich den Event mit allen Mikroständern und einem einheitlichen Satz XLR-Kabel. Auch installierte ich die Schoeps-Mikrophone und das Hauptkondensator-Mik und assistierte dabei, als es darum ging, das Oud mit Jonas' Mik oder meinem Mik abzunehmen. Er entschied sich for meines, ein Calrec-Kleinmebran. Anscheinend wurden solche Details links von mir erst einmal gar nicht zur Wahrnehmung zugelassen. Ich würde mich nicht trauen, solche Behauptungen vor einem Gericht auszusprechen. Da steht man auf dem dünnen Eis von George Riccis phantastischen Schilderungen.
 
Georges Geschichte von den 600 Franken, die er mir gab, weil er dachte, ich könne mir mit dem Geld ein Mikrophon, das ich anscheinend erstehen wollte, im eBay kaufen, wurde erst einmal gar nicht ernst genommen. Es kam die Frage auf, wieviel er von sich aus dazuzahlen würde. Natürlich war die Antwort: "Nichts." Was vom Schlichter entrüstet abgelehnt wurde.
 
Ausschlaggebend für die Beurteilung waren anscheinend auch zwei andere Faktoren. Da fiel der Begriff "unrechtmäßige Selbstbereicherung", was das Erstellen des Crowdfunding-Videos anging. Und der Faktor "Unentgeltlichkeit" im Zusammenhang mit allen Musikern, die ja nur mit einem "Geschenk" abgegolten wurden.
 
Schlußendlich wurde die Kostenaufstellung, die ich als Grundlage für die "Phantomrechnung" und auch für die eigentliche Rechnung gemacht hatte, als Orientierung betrachtet. Danach kam natürlich der Moment, wo sich das Gericht zurückzieht. Die betroffenen Parteien wurden "in die Pause geschickt", wobei diese ca. 15 Minuten lange Pause dazu dienen sollte, daß wir uns einen Betrag überlegen sollten, der angemessen sei.
 
Pause. Die anderen Beiden in einem anderen Saal, ich wieder im Wartezimmer. Links von mir lief eine Frau laut heulend durch den Gang in die Außenwelt. Da müssen sich ja regelmäßig Katastrophen abspielen.
 

 
Ein Haufen Papier. Als hätte man nix Anderes zu tun.
 
  
Wir wurden wieder in den Saal 2 gerufen. Damit wurden wir nach dem Betrag gefragt, den wir nun erwarteten. Ich hatte mir nichts überlegt, weil ich das schon zuhause gemacht hatte: "4000 Franken (abzüglich der bereits ausbezahlten CHF 600, also CHF 3400)." Dann kam George zum Zuge: "600 Franken." Dr. Küffer war fast entrüstet, das ginge aber gar nicht. Seiner Ansicht nach bewegten wir uns da in einem vierstelligen Betrag. "2000 Franken (noch dazu)." war seine Entscheidung.
 
Natürlich habe man die Option, das Verfahren weiterzuziehen, das würde aber voraussetzen, daß dieser gleiche Betrag (2000 Franken) im Voraus zu entrichten sei. Die Fortsetzung des Verfahren würde bedeuten, alle Beteiligen vorzuladen, um die vereinbarte Unentgeltlichkeit zu beweisen. Das wäre natürlich eine sehr komplizierte und kostspielige Angelegenheit. "Mein lieber Schwan." Das sagte er nicht, aber die Worte klangen so.
 
Mein Blick nach links zeigte mir George als graue, in sich zusammengesunkene Gestalt. Und ich? Ja nu. Es gibt zwei Tausender (mickrig aber doch) und vor allem: Ich habe die ganze Sache endlich vom Hals. Per Gerichtsbeschluß. Alle unterschrieben. Links hörte ich noch ein gemurmeltes. "Two thousand franks for nothing." Die Parteien verließen das Schlachtfeld. Ich war nach Erhalt der Summe verplichtet, die Betreibung zurückzuziehen. Vorgestern war der Betrag angekommen. Heute habe ich die Betreibung zurückgezogen.
 
 
 
 
Anleitung zum Versenken seines eigenen Projekts
 
 

Video – Crowdfunding

crowdfunding

Crowdfunding-Film

2 Min. 54 Sec.

 
  
Hier noch die Original-Crowdfunding Site:
 
https://wemakeit.com/projects/turkish-dido
 

 
1’385von CHF 4’800 finanziert +18Unterstützer*innen
 
Dieses Projekt endete am 6.10.2019 14:00 leider nicht erfolgreich.
 
Mit dem Video TURKISH DIDO erscheint Purcells berühmte Arie «Dido’s Lament» in neuem Gewand: mit einer überraschenden Kombination aus europäischen und orientalischen Instrumenten und einer massgeschneiderten Übersetzung ins Türkische entsteht eine einzigartige Aufnahme in Bild und Ton in der ehemaligen Wasserfilteranlage Filter4 in Basel (CH).
 
TURKISH DIDO ist nicht-kommerziell und steht online allen Menschen zur Verfügung.

 
***
 
Nein, hier geht es nicht, wie von George vor dem Zivilgericht geschildert, um den Versuch von ein paar Musikern, dieses Vorhaben umzusetzen und einer einfachen Video-Dokumentation. Und wenn's gut geht, dann würde es eine CD geben.
 
Und früher habe man alles nur mit zwei Mikrophonen gemacht, das wollte er ja hier auch so machen. Wir hatten die Vorgangsweise über Wochen hinweg besprochen, nach zwei Jahren ist das vom Tisch gefegt.
 
Hier noch ein paar letzte Eindrücke:
 
Es sind nun – soweit ist das rekonstruiere – über 15 Jahre, daß George hier ist. Sein Deutsch ist so schlecht, ich würde mich nach dieser langen Zeit regelrecht schämen, mich immer noch so weit von der Sprache zu entfernt zu halten, die hier üblich ist. So schränkt man sich in seiner Wahrnehmung ein und bremst seine eigene Kommunikation aus.
 
Seine Argumente, sein Bezug zum Projekt sind Schall, Rauch und Schlamm. Ein zwölfköpfiges Orchester zusammenzustellen, daß er – so wie der sich ausgedrückt hat – nie wieder so zusammenbekommen würde, sich auf Crowdfunding einzulassen, Leute für sich arbeiten zu lassen für ein Ergebnis, das er völlig verdreht wiedergibt, das ist für mich erschreckend. Entweder hat er das schlichtweg alles zu seinen Gunsten verdreht, was alles andere als einen guten Charakter darstellt, oder er glaubt wirklich an den Schmarrn, den er da von sich gegeben hat, was ein mentales Alarmzeichen ist.
 
Fazit ist: Mit diesem Verhalten hat er sein eigenes Projekt in Grund und Boden gesetzt.
 
Aus dem Schlichtungsentscheid:
Mit Vollzug dieser Vereinbarung erklären sich die Parteien per Saldo aller Ansprüche auseinandergesetzt.
 
Aus ist's. 200 Videosequenzen liegen bei mir auf zwei Harddisks, doppelt gesichert. Und dort bleiben sie, bis irgendwer auf mein "Shake Your Moneymaker" reagiert. Und sollte irgendwer irgendwas jemals von mir haben wollen, halte ich zuerst die Hand auf. Und alles wird schriftlich fixiert.
 
Mit diesem Verhalten hat George nicht nur sein eigenes Projekt zerstört, sondern zwischen vielen Personen in der Basler Musik- und Kulturszene Keile getrieben. Wenn man es zu seiner Gewohnheit gemacht hat, eng und einspurig zu Denken, jede zeitgemäße Entwicklung schlichtweg zu negieren, und Leute, die einen Unterstützen, so zu behandeln, wie er es macht, dann lebt man konsequenterweise in einer Welt voller Orientierungslosigkeit und extremer Einschränkungen. Und mit den Jahren merkt man das gar nicht mehr. Tragisch.
 
Wie versenkt man sein eigenes Projekt? Das hier ist die Anleitung.