Fast zeitgleich hatte Michael Stöcklin die Anfrage erhalten, Photoarbeiten für Mirjam Hässig zu machen. Sie würde in absehbarer Zeit im Proberaum der Jazzakademie ihr neues Album vorbereiten. Und so wie sich die Dinge ergeben, gab es im Rahmen einer Privatveranstaltung vom Michael ein Solokonzert von der Mirjam.
Zeitgleich hatte ich mein Sortiment an Videokameras erweitert. Es war ja höchste Zeit, ich hatte bestenfalls eine JVC, die bis FHD kam – die mit einem halbwegs anständigen Licht ein wunderbares Bild liefert, siehe «
The Art of the Tabla» – und eine ältere GoPro, die aber auch nur bis FHD kam, und das mit einer Hommage an die Welt der Pixel. Aber heute sprach man ja bereits im Vorbeigehen von 4K, eher noch von 6K und 8K. Im November 2021 hatte ich eine Sony PXW FS5 erstanden, danach zwei BlackMagicDesign Production Cameras, diese wurden mit den kompatiblen Canon-Objektiven versehen, die im Gebrauchtmarkt für ein Butterbrot vom Himmel fallen.
Damit hatte ich ein relativ gutes Setting für einen Testlauf. Ein Photograph hatte nicht unbedingt das Licht für Videoaufnahmen zur Hand, immerhin eine LED Lampe, die mehr machte als nur Blitzlicht zu stottern. Dazu das Licht im Raum und das einfallende Licht von der Fensterfront, das allmählich eindunkelte. Eine Gemüsesuppe an Lichtquellen. Nun denn, machen wir aus der Not die Tugend. Aus den Videos wurden Schwarzweißfilme. Eigentlich passend zu Michels Photos, die sich meist im Schwarzweiß-Farbraum bewegen.
Natürlich könnte ich mir einen Titel ausdenken, die noch unbeholfener daherkommt. Und doch hat diese Analogie etwas Klassisches.
Michael Stöcklin belichtet seine Modelle nackt. Es scheinen immer weibliche Akte zu sein, ich habe in seinen Photos noch nie einen Mann erblickt.
Was hier in der Regel passiert, ist daß diese Frau – oder die Frauen – weitgehendst auch seelisch nackt sind. Sie haben nicht mehr den Schutz des Modellkleids, auch nicht den Schutz ihrer gesellschaftlichen Position, keinen äußerlichen Status, sie werden reduziert auf das, was sie wirklich sind. So umschreibe ich diesen Vorgang. Seine Modelle machen dabei sehr gerne mit. Sie werden dabei nie bloßgestellt, sondern erfahren eher die Unschuld ihres Daseins als Eva. Was nicht unbedingt ganz einfach ist, nach einer solchen Session müssen sie sich oft eine Zeitlang erholen. Eventuell sind sie sogar «aufgetankt», je nach Sessionverlauf und Model. In unserer Gesellschaft ist man intensiv mit Spielespielen beschäftigt, wenn das wegfällt, dann muß man recht viel Kraft aufwenden, um eine Umgebung zu erkunden, in der das nicht notwendig ist. Ungewohnt. Eventuell aufwühlend.
Vielleicht ist deshalb das Schwarzweiß dabei so wichtig. Die Farbigkeit macht alles etwas zu lieblich. Man beachte dabei Musikvideos, Netflix und Hollywood. Da muß der Griff in den Farbtopf dick und wülstig sein und nicht darüber hinwegzutäuschen, daß eventuell der Inhalt schon etliche male wiederholt worden ist. Obacht: Es hat einige Serien und Filme, die's in sich haben. Aber alles, was eins zu eins vom Werbeclip übernommen werden kann, da müssen wir vorsichtig sein.
Wir haben Glück: Die Photografien, die hier entstanden sind, befinden sich noch in Arbeit, die Schwarzweißgebung ist noch nicht vollzogen. Damit sehen wir eine Handvoll Photos in ihrer rohen Fassung.
Photoshoot im Hebelantiquariat.

Réne Pfeiffer hatte sofort zugesagt. Sein Antiquariat ist eine wahre Fundgrube, die ich jeden Samstag beehre. Ich bin ja mit dem Bild aufgewachsen, aufgewachsen mit Wort und Text und habe eine Ausbildung als Schriftsetzer hinter mir. Damit sehe ich diese Bücher auch mit dem genauen Auge des Schriftsetzers. Es ist eine Wohltat, zu wissen, wieviel Handwerk in einem Buch steckt, das zu einer Zeit gedruckt wurde, als es noch gar keine Computer gab, die uns die Arbeit des Setzens erleichtern. Damit können wir in diesen Bänden den Text förmlich Spüren, die Farbe, den Druck der Bleilettern auf dem Papier.
Es war nicht das erste Mal, daß er sein Bücherenvironment einer Tätigkeit zur Verfügung stellte, die etwas mehr war als Bücherverkauf. Anscheinend hatten auch schon Filmcrews den Laden mit monströsen Scheinwerfern die Buchrücken heftig aufgewärmt.
Ich erlaubte mir, zu Anfang mit dabei zu sein, um zu beobachten, wie sich das Geschehen allmählich entwickelte. Photograph, Modell und Umgebung mußten sich erst einmal aufeinander einstimmen. Nach nicht allzulanger Zeit sah ich es als angebracht, die Leute ungestört Arbeiten zu lassen. Réne zog sich ins Büro zurück klopfte die Neuzugänge in seine Datenbank hinein, während die anderen beiden ihre Szenographie zwischen den Tausenden von Büchern und Blättern Entfaltung gaben. Bis sich auch noch das Büro annektierten.
Eva unter den Linden. Es gibt ja in Colmar das
Musée Unterlinden mit all diesen herrlichen Gemälden und seinem Prunkstück, dem Isenheimer Altar. Soll es so sein: Eva ist unter den Linden ausgestellt, unter den gebundenen Blättern.
Alle Aufnahmen sind originalgetreu wiedergegeben.