Huldreich Georg Früh
Der neue Kolumbus
Dramatische Erzählung mit Musik 1939
Text von Albert Ehrismann und Kurt Früh
Theaterchor Winterthur, Chor Kultur und Volk Basel, Collegium Novum Zürich
Leitung: Jean-Christoph Groffe und Matthias Heep
• Der neue Kolumbus
16 Min. 52 Sec.
Eine Zusammenfassung der Aufführung
vom 5. November 2022 im
Kulturzentrum Don Bosco, Basel
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Was man so alles antrifft. Eine schöne Bühne und genug Platz für die vielen Musiker, wenn es auch nicht so viele waren, wie ich vermutet hatte. Spannend. Ich hatte ja keinen Schimmer, was die Musik anging und mußte mich überraschen lassen.
Das Licht war eine Sache für sich. Es war nicht
besonders gut, und vor allem: Die Wand wurde in ein Gelbsuchtgelb getaucht. Das ergab einen Touch, der das Bild in das Reich des fiebrigen verschob. Dazu legte ich mir mit der Kamera, die Sony PXW FS5, die ich sehr wenig gebraucht hatte, mein eigenes Ei. Ich brachte es tatsächlich zustande, im Rahmen des Beziehungsdreiecks Gain – ISO – ND-Filter eine Einstellung zu finden, die mir unendlich viel Bildrauschen bescherte. Was auf dem kleinen Display an der Kamera nicht allzusehr sichtbar wurde. Das brauchte in der Nachbearbeitung eine Menge Spucke. Da ich mit UHD filmte, konnte ich kompensieren, wenn ich auf FHD ging. Der Rest waren Einstellungen.
Irgendwie gerettet. Jedenfalls ergab sich dadurch ein recht altmodischer Look. Mein Video-Look ähnelte Jean-Christoph's Photo auf Facebook. Anscheinend hatte es im Raum tatsächlich so eine Farbgebung gegeben. Und doch: Auf dem Video wirkte es recht düster. Gehen wir auf Schwarz-Weiß. Die Verwandtschaft mit dem Look jener Zeit bleibt bestehen.
Es erstaunte mich, wie sehr sich die Musik in die Aufnahme schmiegte. Vermutlich war es auch der viele Hall, der die Instrumente und den Chor eine äußerst samtige Homogenität verlieh. Leider erwies sich der Hall für die Rezitationen als Kontraproduktiv. Dank der Funkmikrophone waren gewisse Sprecher recht verständlich, andere dennoch in der Hallsuppe komplett von jeder Wahrnehmung getrennt. Ein System, das noch nicht ausgereift zu sein scheint.
Schaukelnd unterwegs Richtung Hoffnung
Die ganze Sache hatte etwas, das von der Jetztzeit losgelöst schien. Ein Musikstück aus dem Jahre 1939 wurde in das Heute transponiert. Auf dem Programmblatt wird Bertold Brecht erwähnt. Im Rahmen der Einführung vor dem Konzert wurde Kurt Weill erwähnt. Das traf sich gut, denn ich hatte erst vor Kurzem die bebilderte von David Farneth zusammengestellte und herausgegebene Autobiographie Lotte Lenyas gelesen. Ohne die Musik Kurt Weills zu kennen – Ausnahme bildet dabei die Doors-Fassung von «Alabama Song». Damit wurde für mich eine Verbindung geknüpft zu zwei zur gleichen unsicheren Zeit tätigen Komponisten.
Dem Programm zufolge wurde das Stück als Festspiel für die Landesausstellung 1939 in Zürich von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP) in Auftrag gegeben. Dabei stand im Rahmen dieses Singspiels der Chor im Vordergrund.
Anscheinend konnten die dazu angesprochenen Arbeiter nicht all zu sehr in die Vorstellungen gelockt werden. Es war schließlich nicht unbedingt die Kost an Musik, mit der sie etwas anfangen konnten.
Huldreich Georg Früh hatte Komposition und Klavier am Konservatorium Zürich studiert, arbeitete aber ebenso als Tonmeister und später Leiter der Abteilung Musik Radio Zürich. Auch war er Pianist und Hauskomponist des Cabaret Cornichon.
Jean-Christoph Groffe dirigiert. Facebook.
Das Festspiel als Sprechstück war anscheinend im 19. Jahrhundert sehr beliebt und üblich. Das Stück «Der neue Kolumbus» beruht auf dem Leitmotiv einer allgemeinen Verunsicherung und dem Wunsch in eine bessere Welt aufzubrechen. Was wiederum im Rahmen der Aufführung als Parallele zur heutigen Zeit ausgesprochen wurde. Nur: Mir erschien das zwar logisch, doch blieb es in der Vergangenheit stecken. Wo sollen wir ein besseres Land finden, wo doch alles «menschendurchseucht» ist? Auf zu den Sternen?
Anscheinend war es kein Leichtes, das Stück an sich zusammenhängend wiederzugeben. Dazu mußte man ein Puzzle lösen aus Klavierauszügen, Dialogen, die nicht unbedingt gut zusammenzustellen waren, Unstimmigkeiten zwischen Singstimmen und Orchesterstimmen und vielem mehr. Dazu hatte man Fragmente einer Radioaufnahme, deren Ursprung auch unklar ist (1940er oder 1950er Jahre). Da waren anscheinend einige Leute recht damit beschäftigt, das Stück einem Publikum 83 Jahre später so vollständig wie möglich zu präsentieren. Ein schöner Musikabend, viel Arbeit dahinter. Nur schade, daß die Dialoge so unverständlich waren. Auf zu neuen Ufern, ihr Techniker!
Ein weiterer Blick auf das Ensemble.